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Zeiterfassung per Fingerabdruck: Eine Revolution oder ein Datenschutzproblem?

Sep. 15, 2023
Im heutigen digitalen Zeitalter sind Unternehmen ständig auf der Suche nach innovativen Lösungen, um ihre Prozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. Eine dieser Innovationen ist die Zeiterfassung per Fingerabdruck. Diese Methode verspricht eine genaue und zuverlässige Erfassung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter und könnte theoretisch dazu beitragen, Betrug und Ungenauigkeiten zu reduzieren. Doch ist diese Methode wirklich so vorteilhaft, wie sie klingt? Und wie steht es um den Datenschutz und die Privatsphäre der Beschäftigten? In diesem Artikel gehen wir diesen Fragen nach und beleuchten die Vor- und Nachteile der Zeiterfassung per Fingerabdruck.

Die rechtliche Perspektive

Bevor wir uns den technischen Aspekten der Zeiterfassung per Fingerabdruck zuwenden, ist es wichtig, die rechtliche Perspektive zu verstehen. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist der Einsatz von Fingerabdrücken zur Zeiterfassung nicht ohne weiteres zulässig. Die Verarbeitung biometrischer Daten ist nur dann zulässig, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unbedingt erforderlich ist. Ein Arbeitgeber, der ein zuverlässiges System zur effektiven Arbeitszeiterfassung einführen möchte, um seine Mitarbeiter besser kontrollieren zu können, verstößt gegen die gesetzlichen Bestimmungen. Die meisten Arbeitnehmer verhalten sich bei der Arbeitszeiterfassung vertragskonform, so dass eine bessere Kontrollmöglichkeit allein die biometrische Zeiterfassung nicht rechtfertigen kann. Nur zur Aufdeckung von Straftaten wie Arbeitszeitbetrug und bei Vorliegen konkreter Verdachtsmomente ist dem Arbeitgeber die Verarbeitung personenbezogener Daten erlaubt.

Der Fall einer radiologischen Praxis in Berlin

Um die rechtlichen Aspekte der Zeiterfassung per Fingerabdruck besser zu verstehen, lohnt es sich, einen konkreten Fall zu betrachten. Eine radiologische Praxis in Berlin führte ein neues Zeiterfassungssystem mit einem Fingerabdruckscanner ein. Die Mitarbeiter wurden per E-Mail darüber informiert, dass nicht ihre Fingerabdrücke gespeichert würden, sondern nur die Minutien, also Gabelungen, Häkchen oder Unterbrechungen in den Hautlinienverläufen. Diese würden in einen Zahlencode umgewandelt, aus dem weder die Minutien noch der Fingerabdruck reproduziert werden könnten. Einer der Mitarbeiter, ein 57-jähriger medizinisch-technischer Radiologieassistent, weigerte sich jedoch, das neue System zu benutzen. Er trug seine Dienstplanwünsche und Arbeitszeiten weiterhin schriftlich ein. Dafür erhielt er zwei Abmahnungen: im Oktober 2018 und im März 2019. Dagegen klagte er und verlangte die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass Arbeitnehmer nicht gezwungen werden können, ein solches Zeiterfassungssystem zu nutzen. Dieser Fall zeigt deutlich, dass die Einführung biometrischer Zeiterfassungssysteme nicht ohne rechtliche Herausforderungen und Widerstände seitens der Arbeitnehmer möglich ist.

Hinweise für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Angesichts der rechtlichen Komplexität der Zeiterfassung per Fingerabdruck ist es wichtig, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten kennen. Arbeitgeber müssen die Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers zur biometrischen Zeiterfassung einholen, um den digitalen Fingerabdruck rechtmäßig einrichten zu können. Dies kann sich als schwierig erweisen, insbesondere wenn die Beschäftigten Bedenken hinsichtlich ihrer Privatsphäre und des Datenschutzes haben. Wenn es einen Betriebsrat gibt, kann die Einführung der Zeiterfassung per Fingerabdruck in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Dies kann eine praktikable Lösung sein, um die Zustimmung der Beschäftigten zu erhalten und gleichzeitig die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Auf der anderen Seite müssen die Beschäftigten wissen, dass sie das Recht haben, der Einführung einer digitalen Zeiterfassung im Betrieb zu widersprechen. Sanktionen des Arbeitgebers wie Abmahnungen oder Kündigungen sind in diesem Fall unzulässig. Lässt eine Betriebsvereinbarung die digitale Zeiterfassung zu, muss der Arbeitgeber keine weitere Zustimmung des Arbeitnehmers einholen.

Fazit

Bei der Zeiterfassung per Fingerabdruck handelt es sich um ein komplexes Thema, das sowohl technologische als auch rechtliche Aspekte berührt. Während sie auf den ersten Blick eine effiziente Methode zur Arbeitszeiterfassung zu sein scheint, wirft sie ernsthafte Fragen hinsichtlich des Datenschutzes und der Arbeitnehmerrechte auf. Es ist wichtig, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten in diesem Zusammenhang kennen und respektieren. Insgesamt zeigt sich, dass die Zeiterfassung per Fingerabdruck eine vielversprechende Technologie ist, die jedoch mit Vorsicht und unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen eingesetzt werden sollte. Abzuwarten ist, wie sich diese Technologie in den nächsten Jahren entwickeln wird und ob sie sich als Standard für die Zeiterfassung in Unternehmen durchsetzen kann.

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